LESEPROBE<
Chiritine & Olivier Orban, Planspiele einer Liebe, 1998, S.Fischer S.9-12: Vorwort Ich habe meine Frau mit einer falschen Blondine betrogen, einer mit korrigierter Nase und plumpen Beinen. Warum nur war ich eines Sommerabends in Paris, während meine Frau mich im Süden erwartete, ich, ein treuer, liebender Ehemann, auf die Avancen einer Frau eingegangen, die gar nicht mein Typ war? Unablässig habe ich mir diese Frage gestellt, nachdem es zwischen mir und meiner Frau zum Bruch gekommen war. Ist „Bruch“ überhaupt das richtige Wort? Ich will es einmal annehmen, damit ich erzählen kann, was passiert ist. Eifersucht ohne Phantasie ist ein unvollkommenes Laster. Leider besaß meine Frau erstere im Übermaß, während sie mit letzterer nicht gerade reich gesegnet war. Die folgende Geschichte wird es zeigen: Ich war unbewaffnet, vollkommen hilflos ihrem Machiavellismus ausgeliefert, aber ich hatte nun einmal Schuld auf mich geladen, weil ich, wie soll ich sagen, einem dieser Augenblicke der Schwäche, der Unbekümmertheit nachgegeben hatte, wie sie uns das Leben zuweilen bietet; hätte ich das wirklich beichten sollen? Wie hätte ich mein unbesonnenes Verhalten einer solch besitzergreifenden und unerbittlichen Frau wie der meinen erklären sollen? Also beschloss ich, sie anzulügen. Und dann geschah folgendes. 1 Alles begann, als ich von einer kurzen Reise aus London zurückkehrte. Meine Frau war nicht zu Hause. Das war merkwürdig und ungewohnt: Normalerweise ging sie nach siebzehn Uhr nicht mehr aus dem Haus. Clotilde – sie heißt Clotilde – ist Psychoanalytikerin, was für das folgende Geschehen nicht ganz unwichtig ist. Sie betreibt ihre Praxis im Stockwerk unter unserer Wohnung. Dorthin ging ich an jenem Abend und stellte fest, dass das Wartezimmer leer und die Tür zum Sitzungsraum geschlossen war: Ich konnte nicht einfach in ein Gespräch hineinplatzen. Das Behandlungszimmer meiner Frau, eingerichtet nach dem Vorbild des Meisters aus Wien, gleicht dem jedes beliebigen anderen Psychoanalytikers. Hat man eines gesehen, dann kennt man sie alle: ein Ledersessel, ein Sofa, darauf eine abgenutzte Tagesdecke, ein Bücherregal mit kleinen präkolumbianischen Figuren, gedämpftes Licht, weil sich die Zunge im Halbdunkel besser löst. […] © 1998 S.Fischer Verlag GmbH Frankfurt, alle Rechte, insbesondere auch die Nutzung für Text- und Datamining im Sinne von § 44b UrhG, vorbehalten